Wie wichtig es ist, regelmäßig zu überprüfen, welche Medikamente ein Patient einnimmt, zeigt ein Fall aus der Steiermark. In Zukunft soll die elektronische Gesundheitsakte ELGA den Überblick erleichtern.
Der Fall. Die 80-jährige Frau B. stürzt und erleidet einen Oberschenkelhalsbruch. Nach der Operation erhält sie im Spital ein starkes entzündungshemmendes Schmerzmittel. Ihr Hausarzt verschreibt es ihr regelmäßig weiter, 6 Jahre lang. Die Rezepte löst ihr Sohn in unterschiedlichen Apotheken ein, da er beruflich viel unterwegs ist. Plötzlich wird Frau B. mit einem akuten Zwölffingerdarmgeschwür und arteriell spritzender Blutung ins Spital eingeliefert. Sie verstirbt noch in der Notfallaufnahme an einem Multiorganversagen.
Intervention. Ihr Sohn wendet sich an die steirische Patientenombudsschaft. Er hat in Erfahrung gebracht, dass das Schmerzmittel nur für wenige Wochen und in Kombination mit einem Magenschutzmittel hätte eingenommen werden dürfen. Er ist überzeugt, dass der Tod seiner Mutter mit der Medikamenteneinnahme zusammenhängt. Die Patientenvertretung findet heraus, dass Frau B. in den sechs Jahren insgesamt 1.280 Tabletten verschrieben wurden. Das Gutachten eines Sachverständigen bestätigt den Verdacht des Sohnes: Das Medikament sollte vor allem bei alten Menschen nur in minimaler Dosis und über die kürzestmögliche Zeit verabreicht werden. Da die Patientin bereits früher an Zwölffingerdarm-geschwüren gelitten hatte, war bei der Behandlung höchste Vorsicht geboten. Trotzdem erhielt sie weder magenschützende Therapien noch wurden regelmäßig Laboruntersuchungen durchgeführt. Die Patientin bekam zusätzlich Injektionen, die in Kombination mit dem Schmerzmittel das Risiko für Magen-Darm-Blutungen erhöhen. Der Sachverständige kommt zu dem Schluss, dass diese Behandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit die zum Tode führende Dünndarmblutung ausgelöst hat.
Ergebnis. Der Sohn beauftragt einen Anwalt, der eine Sachverhaltsdarstellung bei der zuständigen Staatsanwaltschaft einbringt. Der Hausarzt wird strafrechtlich verurteilt.
Fazit. Nicht nur vor dem Hintergrund dieses Falles spricht sich die PatientInnen- und Pflegeombudsschaft des Landes Steiermark für die geplante Speicherpflicht für Verschreibungen, die sogenannte e-Medikation aus. Demnach müssen Ärzte mit Kassenvertrag künftig alle verordneten Medikamente elektronisch speichern. Somit können andere Ärzte und auch Apotheken überprüfen, welche Arzneimittel ein Patient einnimmt. Damit erhöht sich die Sicherheit für die Patienten, weil unerwünschte Wechselwirkungen und unnötige Doppelverschreibungen verhindert werden können. Auch rezeptfreie Medikamente können auf Wunsch der Patienten gespeichert werden. Die e-Medikation ist ein Teil von ELGA, der elektronischen Gesundheitsakte, und soll bis Herbst 2019 in ganz Österreich eingeführt werden. Für die Patienten ist die Teilnahme an der e-Medikation freiwillig.
Beitrag der PatientInnen- und Pflegeombudsschaft Steiermark, erschienen im Konsument 3/2018.